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Wednesday, 28 December 2011

Changki und Mangmetong


Obwohl ich schon etliche Male in Nagaland war, habe ich noch nie das Dorf meiner Schwiegereltern gesehen. Diesmal planen wir einen Roadtrip nach Changki, dem Dorf meines Schwiegerpapas, und Mangmetong, wo meine Schwiegermama aufgewachsen ist. Übernachten werden wir im Dschungel neben dem Reisfeld meines Schwiegervaters in einem Zelt. Die Reise im klapprigen Maruthi-Bus dauert wegen den bereits früher erwähnten Strassenverhältnissen und dem Verkehr rund 9 Stunden, da wir öfters Pausen einlegen und die Landschaft bewundern. Die Gegend wird zunehmend grüner und ist dichter und artenreicher bewaldet, je näher wir dem Ziel kommen. 

Eigentlich wollten wir schon den Tag zuvor losfahren, aber am Abend zuvor blieb der Bus liegen – mitten in einer unbewohnten Gegend und im Stockfinstern. Zum Glück funktionierte mein Handy, und da es in Nagaland keinen ADAC gibt, rufen wir unsere Familie an, die dann nach einer Ewigkeit zur Hilfe kommt. Naja, es war nur eine Stunde, aber die fühlte sich wie eine Ewigkeit an in der Kälte und Einsamkeit der Nacht. Während wir dann so warten, nähert sich ein Wagen und bleibt schräg hinter uns auf der anderen Strassenseite stehen. Wir bemerken, dass es ein Polizeiauto ist und beschliessen, uns ruhig zu verhalten. Nagaland ist zwar inzwischen offen für Ausländer, aber die Polizei nimmt gerne Schmiergelder, stellt unangenehme Fragen und findet immer irgendwie eine Kleinigkeit am Auto, die nicht in Ordnung ist, und wir wissen ja noch nicht, warum der Wagen stehengeblieben ist. Die Polizei, dein Freund und Helfer – nicht in Nagaland. Wir hatten eigentlich erwartet, dass die Beamten neugierig werden und auf uns zukommen, da wir ja noch dazu mitten in der Strasse stehen. Einer der beiden Polizisten steigt aus, verschwindet aber in den Büschen. Nach einer Weile fängt der andere im Wagen wartende Polizist an zu hupen. Die Situation ist zu komisch und wir biegen uns vor Lachen. Offensichtlich musste der eine dringend für Königstiger, und der andere wurde ungeduldig, weil ihm das zu lange dauerte. Sehr vorbildlich, die Ordnungshüter, muss ich sagen, nachdem die Regierung versucht, die Bevölkerung zum Benutzen von Toiletten zu bewegen. In Bangalore habe ich sogar mal einen Polizisten beobachtet, der auf einer belebten Strasse in einer besseren Gegend am Strassenrand urinierte. Soviel zum Thema Hygienemassnahmen. 

Als wir in Changki ankommen, ist es bereits dunkel. Wir befahren den schmalen Weg durchs Reisfeld, der zu unserem Zeltplatz führt, aber der Bus bleibt schon nach wenigen Metern stecken. Die Männer schlagen mit ihren Daos den Weg frei und überbrücken die Löcher im Boden mit Bambusrohren. Den Rest des Weges zum Zeltplatz tragen wir unsere Sachen, da die Vegetation zu dicht ist um mit dem Bus durchzukommen. Wir machen erstmal Feuer und bauen unser Zelt auf. Den Boden polstern wir mit Stroh und legen Matten darüber. 

Am nächsten Morgen bin ich geschockt von der Schönheit der Landschaft, die ich in der Dunkelheit am Vorabend gar nicht wahrgenommen habe. Von dem Hügel, auf dem wir campieren, kann man die gesamte Talebene überblicken, ein Reisfeld nach dem anderen, ab und zu grüne Tupfer mit Bananenstauden und Kokospalmen. Die Luftfeuchtigkeit ist extrem hoch und nach der Kühle der Nacht wird es richtig heiss, sobald die Sonne aufgeht. Der Nebel zaubert verrückte Muster in die Landschaft. Die Bauern arbeiten bereits auf den Feldern mit der eingebrachten Ernte. Mit Hilfe ihrer Rinder trennen sie den Reis von den Hülsen und verpacken die getrockneten Körner in Säcke. Der Tag beginnt früh, da es abends ab 17:00 Uhr schon dunkel wird und es hier keinen Strom gibt.

Unser Reisfeld wird von einer 13köpfigen Familie betreut, die in zwei Bambushäuschen am Rande des Reisfeldes leben. Noch genauso wie vor 150 Jahren. So einfach und ursprünglich, aber mit so viel Fröhlichkeit und Ruhe, dass ich fast neidisch werde. Nachts wird es so still, dass man nur das Knarzen der Bambusstauden und das Rascheln der Blätter hört, und ab und zu die dicken Tropfen angesammelter Luftfeuchtigkeit, die von den Bananenstauden mit einem Platschen auf dem Boden landen. Meine  Ohren sind so viel Stille gar nicht gewöhnt und protestieren mit einem andauernden Pfeifton. Ich lege mich auf die Matte und schaue in einen atemberaubend schönen Sternenhimmel. 

Es gibt fast keine Mücken in dieser Jahreszeit, dafür aber Blutegel, die ich ganz schauerlich finde. Wir wagen uns ein Stückchen hinein in den angrenzenden Dschungel, aber ich mache einen Rückzieher, als ich zwei dieser monsterlichen Kreaturen auf meinem Schuh sitzen sehe und ich mir in meiner Fantasie ausmale, was hier wohl noch so für Viecher rumkrabbeln und mein Blut riechen. Ich bin eben doch ein Feigling. Beim nächsten Mal werde ich etwas mutiger sein. Versprochen. 

Am nächsten Tag besuchen wir das Dörfchen Mongmetong, trinken eine Tasse Tee hier und da bei Familie und Bekannten und mein Mann teilt ein paar Kindheitserinnerungen mit mir, als wir ein paar Zimtbäumchen entwurzeln. Die Wurzel ist der aromatischste Teil des Baumes. Wir geniessen den Sonnenuntergang an einer Stelle, wo man das gesamte Gebiet der Lothas (einer der Stämme in Nagaland) und einen Teil des Doyang Rivers überblicken kann. Die Intensität der Farben und die blutrot eingefärbten Hügel im Kontrast zum tiefblauen Fluss und dem blauschwarz schattierten Urwald machen diesen Sonnenuntergang mit Abstand zum aufregendsten, den ich je erlebt habe. 

Am nächsten Morgen brechen wir unser Zelt früh ab, trinken eine Tasse Tee bei Freunden meines Schwiegervaters und machen uns auf nach Changki, einem Dorf, das sich über einen langestreckten Hügelkamm schlängelt. Das Dorf ist wunderschön, mit kleinen Bambushäuschen und sauberen, schlaglochfreien Strassen. Am lustigsten sind die Bambushäuser mit überdimensionalen Satellitenschüsseln. Hach wie schön – zurück in der Zivilisation!

Saturday, 17 December 2011

Kohima

 Wir befinden uns auf der holprigen Bergstrasse, die nach Kohima führt. Schon kurz nachdem wir Dimapur hinter uns lassen, befinden wir uns in einer komplett anderen Welt. Die Strasse ist stellenweise nach den Erdrutschen im Sommer noch immer in einem katastrophalen Zustand. Das hat den Vorteil, dass man wirklich alles in der Umgebung mitbekommt und den herrlichen Blick ins Tal so richtig geniessen kann, da man kaum schneller als 40 km/h fahren kann.  Menschen wandern am Strassenrand und transportieren alle möglichen Gegenstände und Lebensmittel in Körben auf dem Rücken, mit dem Tragriemen um die Stirn gespannt. Am Strassenrand finden sich immer wieder lustige Schilder mit sinnigen Sprüchen wie “Bro, drive slow” oder “Better late than never”. Offensichtlich gibt es eine beachtliche Anzahl Wahnsinniger, die hier schneller als 60 kmh fahren, was in Anbetracht der zahlreichen Kurven und dem allgemeinen Zustand der Strasse kaum zu glauben ist. Vor uns finden sich immer wieder schwere Lastwägen mit Aufschriften wie “Horn okay please” oder “Horn do” und die Hupe ist eines der wichtigsten Teile in einem indischen Fahrzeug. 

Die Strasse schlängelt sich durch satt bewaldete Hügel, entlang an Reis- und Ananasfeldern, Wäldern mit Teak-Bäumen und Bananenstauden, Bambus und Bethelnuss-Palmen.  Das zu dieser Jahreszeit schon herrlich satte Grün findet  den  Höhepunkt in der Regenzeit, mit allen erdenklichen Farbschattierungen, saftig und fruchtbar. Doch die Kälte jetzt im Winter fährt mir in die Knochen und ich freu mich auf das wärmende Feuer in der Küche meiner Schwiegermutter, die uns mit einer Tasse Tee willkommen heisst.   

Den steten Geruch von Feuer in der Nase und gerührt vom herzlichen Empfang meiner Schwiegereltern fühle ich mich sofort zu Hause und pudelwohl. Das Leben hier ist langsam, sehr langsam, und zwingt zum ersten Mals seit meiner Ankunft in Indien die Räder meines deutschen inneren Motors zum völligen Stillstand. 
Ich liebe den Markt in Kohima. Farbenfrohes Gemüse und Obst, appetitlich aufgestapelt, und alle möglichen lokalen Delikatessen wie Frösche, Larven (noch ganz frisch zappelnd in ihren Nestern), Hornissen, getrocknetes Fleisch und ab und zu eine Keule von irgendeiner Wildkatze, Fisch, fermentierte Sojabohnen, alle möglichen Blätter, Kräuter und Getreide, bringen meine Sinne in Wallung.

Kohima liegt 1261 m über dem Meeresspiegel auf einem Bergrücken und Serpentinien schlängeln sich entlang den umliegenden Bergketten. Die Stadt hat ca. 270.000 Einwohner, und jetzt im Dezember ist die kälteste Jahreszeit, wo die Temperatur schon mal auf 0⁰ C sinken kann. Ich bin froh, dass ich eine warme Winterjacke eingepackt habe und Omas selbstgestrickte Wollsocken.

Thursday, 8 December 2011

ಮೆರ್ರಿ ಕ್ರಿಸ್ಮಸ್!

Langsam leben wir uns hier ein, ich habe die letzten Wochen damit verbracht, nach Möbeln zu suchen, was hier gar nicht so einfach ist. Gebraucht gibt es hier fast nichts, und wenn dann kosten sie fast genauso viel wie neue Möbel. Und Echtholz-Möbel sind sehr teuer. Mittlerweile haben wir aber immerhin schon Betten, einen Esstisch und eine Couch, und es wird schon ganz wohnlich.

Im November war meine Schwägerin und ein Cousin bei uns zu Besuch, und unser Garten ist mittlerweile schon ein kleines Paradies geworden, mit einem "Machang", eine überdachte Feuerstelle, wo man abends gemütlich mal mit den Nachbarn zusammensitzen kann, und einem Gewächshaus für Tomaten, Salat, Kräutern und sonstige aus Deutschland importierten Delikatessen.

Ansonsten warten wir noch immer auf unsere Ladung aus Deutschland, die ja eigentlich am 7. November 2011 hätte ankommen sollen. Morgen findet wohl endlich die Verzollung statt, und wenn alles gut läuft, sind wir am Wochenende dann schon unterwegs nach Nagaland, um Weihnachten und Neujahr mit unserer Familie dort zu verbringen. So richtig los geht es dann im Januar, bis dahin wird es hier im Blog auch etwas ruhig, aber im Januar bekommt ihr dann ein detailliertes Update mit vielen Fotos über unsere neue Heimat hier!

Ich wünsche euch allen eine ruhige, besinnliche Weihnachtszeit und einen guten Start ins Jahr 2012!




Friday, 18 November 2011

Südindische Küche

Nachdem die südindische Küche in ganz Indien außerordentlich beliebt ist, muss ich natürlich so viel davon wie nur möglich in meinen Koch-Schatz aufnehmen. Heute habe ich ein klassisches Kokosnuss-Masala-Hühnchen ausprobiert. Da dieses ganz fantastisch geschmeckt hat, muss ich das natürlich mit euch teilen. Dauert ungefähr eine Stunde, 30 Minuten Vorbereitungszeit und 30 Minuten Kochzeit, das Ganze sollte 4 - 5 Leute satt machen. And here it is:

Zutaten:
1 kg Hühnchen (mit Allem drum und dran, Knochen, Haut, etc., in mundgerechte Stücke zerkleinert)
1 große Zwiebel, fein geschnitten
1 TL Ingwer-Knoblauch-Paste
1 TL Korianderpulver
1/2 TL Haldi (auch genannt Turmeric oder Kurkuma)
2-3 grüne Chillis, der Länge nach aufgeschlitzt
1 1/2 TL Garam Masala Pulver, gibts beim Inder nebenan
Frische Korianderblätter zum garnieren
Salz je nachdem wie ihr es gern habt.
1 1/2 -2 TL Öl
Für die Paste:
1 Zwiebel
3-4 grüne Chillis
1/2 Tasse frisch geraspelte Kokosnuss
Ein Bündel frische Korianderblätter
ca. 10 Minzeblätter
10-12 Kashewnüsse, in 2-3 TL Milch aufgeweicht (ca. 15 Minuten)

Bevor's losgeht:
1 Mariniere das Hühnchen in Korianderpulver, Turmeric Pulver, Ingwer-Knoblauch-Paste, den beiden aufgeschlitzten Chillies und einer Brise Salz für mind. 10-15 Minuten. Gleichzeitig die Kashewnüsse in 2-3 TL
Milch einweichen.

Wenn's dann losgeht:
2 Mach eine Paste mit allen o. g. Pasten-Zutaten. Als erstes die Kokosnuss kleingeschnitten zusammen mit etwas Wasser mixen, bis das Ganze schön cremig ist. Dann den Rest dazu und derweilen zur Seite stellen.

3 Öl am Besten im Schnellkochtopf ohne Deckel erhitzen, Chillies und Zwiebel darin braten, bis die Zwiebel schön glasig wird.
4 Das marinierte Hühnchen zugeben und auf großer Flamme 4-5 Minuten anbraten.
5 Auf mittlere Hitze reduzieren, die Paste dazugeben, und mit Salz abschmecken. Lass das Hühnchen auf mittlerer Hitze 8-10 Minuten köcheln, bis das ganze schön durchzieht. Hühnchen hat viel Wasser, deshalb ist es wahrscheinlich nicht notwendig, Wasser zuzugeben, aber sollte das ganze zu trocken werden, einfach einen Schuss Wasser dazu.
6 Zum Schluss das Garam Masala dazu, Deckel drauf und auf kleiner Hitze im Schnellkochtopf bis zum ersten Pfeifen oder Zischen kochen lassen.
7 Mit frischen Korianderblättern garnieren und heiss servieren mit gedämpften Reis oder Chapatis.

Anmerkung für diejenigen, die gerne nach Gefühl kochen: Die einzige Zutat, mit der man vorsichtig sein muss, ist die frische Kokosnuss, da diese ein sehr intensives Aroma gibt und die anderen leckeren Zutaten überlagert.


Aus der restlichen Kokosnuss habe ich eine Kokosnuss-Chutney gemacht.

Zutaten:
  • 1/2 Tasse Kokosnuss geschält und in kleine Stücke geschnitten
  • 3 TL Geröstete Chickpeas (Kichererbsen)
  • 6 kleine rüne Chillies
  • 1-1/2 TL Salz (nach Geschmack)
  • 2 grüne Chillies in kleine Stücke geschnitten
  • 1 cm Ingwer
  • 3 Tbsp Coriander gehackt
  • 1 Traubengroßes Stück Tamarind
  • Salz nach Geschmack
  • Etwa 1/2 Tasse Wasser
Gewürz (Tadka):
  • 1 TL Öl
  • Brise Asafetida
  • 1/4 TL schwarze Senfkörner
  • 2 rote Chilies in Stücke gebrochen
  • 6 to 8 Curry Leaves
Zubereitung
  1. Kokosnuss schälen und in kleine Stücke schneiden. Kokosnuss lässt sich so leichter mixen.
  2. Chana Dal anrösten auf kleiner Hitze bis es hellbraun wird und Röstaroma hat. 
  3. Chana Dal pulverisieren.
  4. Chana Dal, Yoghurt, grüne Chilies und Salz zu einer Paste verarbeiten.
  5. Kokosnuss nach Geschmack. Wasser zugeben evtl. so lässt sich das Ganze leichter vermischen. 
  6. Vor dem umfüllen in einen Behälter Evtl Zitrone zugeben, wer's gerne sauer hat.
Gewürz
  1. Öl erhitzen, schwarze Senfkörner zugeben und warten bis sie zerplatzen. 
  2. Asafetida, rote Chilies und Curry Blätter zugeben und alles auf kleiner Hitze kurz anbraten.
  3. Über das Chutney gießen. 
Coconut Chutney kann man im Kühlschrank etwa eine Woche aufheben.



Tuesday, 1 November 2011

Shopping in Indien


Shoppen in Indien ist für uns Deutsche oft eine Herausforderung. Es gibt ja eigentlich gerade für uns Bayern so was wie einen einzuhaltenden Mindestabstand zwischen einer anderen Person und mir, den die Höflichkeit vorschreibt. Vergiss das in Indien. Mein Mann steht heute im AirTel Laden, und während er das Formular ausfüllt, stehen nach kürzester Zeit 4 oder 5 Leute hinter ihm, wovon einer direkt hinter ihm klebt, ihm über die Schulter schaut und nicht einmal zu verbergen versucht, dass er jedes Wort liest, das mein Mann ins Formular schreibt. Im Supermarkt verfolgen mich mindestens fünf Minuten lang zwei Verkäufer/innen, eine davon so nah hinter mir, dass ich förmlich ihren Atem spüre. Ich drehe mich um und nicht einmal zehn Zentimeter von mir entfernt steht eine Frau in meinem Alter, lächelt charmant und fragt ‚Can I help you Ma’m?’ AAaarrrgggghhhh.

Eine weitere Herausforderung ist das Phänomen der komplett konträren Antwort auf eine Frage, was leider sehr oft vorkommt, denn ein Inder empfindet es als Unhöflichkeit, ‚Nein’ zu sagen, oder ‚Ich weiß nicht’ oder ‚Haben wir nicht’. Und dann zeigen sie halt einfach in irgendeine Richtung wenn sie den Weg nicht wissen oder zeigen dir irgendetwas völlig anderes, wenn sie das Gewünschte nicht im Sortiment haben. Ich frage nach einem Gurkenschäler und bekomme einen Dosenöffner. Ich frage, ob ich diese Schuhe in Größe 39 bekommen könnte und bekomme ein komplett anderes Paar Schuhe in Größe 37. Ich frage nach grünen Handtüchern und bekomme mit gelb-rosa Blümchen bedruckte Badetücher. Ich frage nach einem Naturholz-Bett und mir wird ein mit schnörkeligen Schnitzereien verziertes, rot lackiertes Bett gezeigt. Ich frage nach einem Copy-Shop, und lande irgendwo im Nirgendwo.  

In Deutschland gehe ich in einen Laden, und wenn sich noch andere Kundschaft im Laden befindet, werden alle der Reihe nach zügig bedient. Nicht so in Indien. Ich werde bedient, da kommt eine weitere Kundschaft. Der Verkäufer wendet sich dieser zu, hört sich den Wunsch der Kundschaft an und dreht sich dann wieder zu mir. Eine dritte Kundschaft betritt den Laden, die ebenfalls sofort ihren Wunsch loswird. Ich frage etwas, und anstatt einer Antwort dreht sich der Verkäufer zu Kundschaft Nr. 2, diskutiert ein paar Minuten lang, dreht sich dann wieder zu mir, ich wiederhole meine Frage, bekomme die Antwort, der Verkäufer dreht sich sofort danach zu Kundschaft Nr. 3 und gibt dieser einen Artikel, den Kundschaft Nr. 3 dann auch sofort bezahlt. Nach einer geschlagenen Stunde gehen dann alle Kundschaften zufrieden aus dem Laden. Alles völlig normal.

Happy Diwali!


Diwali – das Fest des Lichts.Für Hindus handelt es sich dabei um den bedeutendsten Feiertag des Jahres. Mehrere Tage lang sind die Straßen und Häuser mit Lichterketten und anderem Schnickschnack geschmückt, Familien kommen zusammen um miteinander zu feiern und Geschenke werden ausgetauscht. Nachdem der genaue Tag von der Mondphase abhängt, ändert er sich von Jahr zu Jahr. Heuer fiel der Festtag auf den 26. Oktober. Der Ursprung von Diwali ist, wie vieles im Hinduismus, nicht einfach zu erklären. Den vedischen Schriften zufolge, kehrte wohl der Gott Rama nach 14-jährigem Exil im Dschungel an diesem Tag in seine Heimatstadt zurück. Entlang seines Weges sollen  die Menschen lange Lichterketten entzündeten haben. Der Name, in Sanskrit „Deepavali", bedeutet „Anordnung von Lichtern“.

Wir haben Glück, dass wir gerade in dieser Jahreszeit sämtliche Einkäufe für unsere Wohnung erledigen, denn die Geschäfte haben rund um die Uhr geöffnet und überall gibt es  Angebote und Rabatte. Und so kaufen wir zum Schnäppchenpreis eine Waschmaschine, einen Kühlschrank, Gasherd und Möbel, die am nächsten Tag geliefert werden sollen. Wir sitzen also pünktlich um 16:00 Uhr in der Wohnung, um 17:00 Uhr fragen wir dann mal nach, wo denn die Lieferung bleibt. Ja, ja, sie sind schon unterwegs, um spätestens 19:00 Uhr sind die Kollegen bei uns, wird uns am Telefon versichert. Um 19:30 geben wir auf. Am nächsten Tag kommt das Zeug aber sicher, wird uns versprochen. Nächster Tag, gleiche Uhrzeit. Nichts. Zwei Stunden später werden wir vom Fahrer angerufen, er sei schon unterwegs. Also warten wir nochmal eine Stunde. Als dann um 20:00 Uhr  immer noch keiner kommt, rufen wir nochmal an. Nein, sagt der nette Mensch am anderen Ende der Leitung, heute kann nicht mehr geliefert werden. Aber der Fahrer war doch schon unterwegs gewesen, argumentieren wir. Wir bekommen keinen Kommentar auf diese Feststellung. Naja, so ist das halt in Indien.

Wir machen uns also auf den Nachhauseweg. So spät in der Nacht am Festtag bekommen wir natürlich auch keine Rikshaw mehr. Zumindest nicht zu einem erschwinglichen Preis. Also laufen wir zu Fuß. Es fühlt sich an, als durchqueren wir eine Kriegszone. Links und rechts von uns explodieren Bomben, und über uns Feuerwerkskörper, und nachdem mein linkes Ohr pfeift und taub wird, fällt mir ein, dass ich Ohropax in der Handtasche habe. Schon besser. Vom Dach unseres Apartments aus beobachten wir dann noch eine Weile das Feuerwerk, von oben schaut das ganze sehr zauberhaft aus, ein funkelndes und glitzerndes Bangalore.

Thursday, 13 October 2011

Stadterkundschaftung

Ich stehe am staubigen Straßenrand an der Hormavu Agara Main Road und warte auf den 249C Bus in Richtung Stadtmitte/Shivaji Nagar. Als der nach 20 Minuten endlich kommt, habe ich bereits eine dicke Staubschicht auf der Haut und Sand in den Augen. Aber ich wollte ja ein bisserl Abendteuer. Der Ticket-Meister wirft der Dame vor mir einen vernichtenden Blick zu, als die ihm einen Hundert-Rupee-Schein entgegenstreckt. Bin ich froh dass ich Kleingeld dabei hatte...                                              
Natürlich verpenne ich meine Ausstiegstelle und laufe auch noch in die verkehrte Richtung. Nach einer halben Stunde Navigieren durch enge Gassen komme ich dann endlich in die Commercial Street, wo ich meine Einkäufe in Rekordzeit erledige. Als ich dann bei Anand's (einer der wenigen Shops der noch da steht wo er vor 10 Jahren war) stehe, um mir meinen geliebten Mysore Pak (indische Süßigkeit) zu holen, spricht mich ein etwa 10 Jahre alter Junge an. Er beratschlagt mich, was ich nehmen soll, und ist offensichtlich bemüht, zwischen mir und dem Verkäufer zu vermitteln. Ich sage ihm, dass ich schon weiß was ich brauche, nehme meine Tüte und verlasse den Laden. Der Kleine weicht mir nicht von der Seite, und fragt mich wohin ich gehe und was ich brauche, ob er eine Rikshaw für mich organisieren soll etc.
Chabris
Ich frage ihn nach seinem Namen und ob er öfters hier rumhängt und Tourist Guide spielt. Es ist offensichtlich dass er hier arbeitet und Provisionen von den Shopkeepern und Rikshawfahrern kassiert. Er spricht fließend Englisch und macht einen sehr smarten Eindruck. Er erzählt mir er heißt Chabris, sein Papa ist Rikshawfahrer und seine Mutter daheim mit seinen drei Geschwistern. Er kann weder lesen noch schreiben, und seine Mutter schickt ihn wohl schon seit Jahren auf die Straße zum Arbeiten. Von Papas kleinem Einkommen und dem was Chabris so nach Hause bringt, kann die 6köpfige Familie wahrscheinlich gerade so überleben. Da sich gerade in diesem Moment meine Sandale auflöst, frage ich ihn, ob er mich zu einem Schuster in der Nähe bringen kann. Er strahlt mich an, klar, kann er, sagt er und fragt mich, ob ich derweilen seine Sandalen anziehen möchte. Nein, das möchte ich nicht, sage ich und flicke provisorisch meine Sandale wieder zusammen. Chabris bringt mich zu einem Mann, der wohl sein Großvater sein könnte. Mit ein paar gekonnten Handgriffen repariert er in weniger als zwei Minuten meinen Schuh. Was ich ihm schuldig bin, frage ich. Er sagt, was immer ich ihm geben möchte. Ich bin tief gerührt von diesen Begegnungen. 

Noch ganz in Gedanken schlendere ich zum Rikshaw-Stand. Ich beschließe, den Botanischen Garten zu besuchen. Ich liebe Bangalore's Gärten! Mitten in der Stadt, so still und friedlich, ein perfekter Zufluchtsort wenn einem das Gewusel der Stadt zuviel wird. Ich schiebe mir noch schnell eine Laddu in den Mund, weil mein Magen knurrt. Ein paar Kinder kommen auf mich zugerannt, schütteln mir die Hand und laufen kichernd zurück zu ihren Müttern, mit denen ich dann auch gleich ins Gespräch komme. 

Danach erklimme ich den Granithügel am anderen Ende des Gartens, von wo aus man eine fantastische Aussicht auf die Skyline von Bangalore hat und von einem kühlen Lüftchen umweht 
wird. Ein schöner Ausklang für einen erlebnisreichen Tag.










Sunday, 9 October 2011

Wohnungssuche erfolgreich


Mein dritter Tag in Indien und schon habe ich eine Wohnung gefunden: Ein komplettes unteres Stockwerk in einem Haus außerhalb der Stadt und doch zentral mit guter Verkehrsanbindung. Nachbarn nur zu zwei Seiten, zur linken ein kleiner Garten und zur Front nur Natur. Mit großer Dachterrasse zum Grillen und in der Nachbarschaft alle guten Freunde von uns. Einziger Nachteil: Viel Natur ums Haus rum bedeutet viele Schlangen und Mücken… Ich habe mich dann für Schlangen und Mücken entschieden, weil es mir wichtig ist, ein Stück Grünland um mich rum zu haben. Und ca. eine Stunde lang Stromausfall am Tag. Aber das gibt’s ja fast überall in der Stadt. Über uns wohnen Bekannte von unseren Freunden, er ebenfalls aus Nord-Ost Indien und sie aus Korea. Da passen wir also gut mit dazu. Wir werden das Haus auf jeden Fall mal für ein Jahr mieten.

Wednesday, 5 October 2011

Angekommen!

Sonnenschein bei 31°C, den Geruch von Chicken Masala in der Nase untermalt mit dem typisch indischen Geräuschteppich aus quäkenden Rikshaw-Hupen, Fahrradklingeln und vorbeifahrenden Autos. Ich habe bei lieben Freunden Unterschlupf gefunden, ein eigenes Zimmer mit Bad, und werde liebevoll umsorgt.

Emirates hat sich wiedermal als Top-Airline erwiesen. Superbequeme Sitze, toller Service und das Allerbeste: Ich durfte die beiden Gitarren und die Monster-Tasche befüllt mit Laptop, Kamera, Festplatte uns sonstigen Zeugs, als Handgepäck mitnehmen. Das gibt’s normalerweise gar nicht.

Bei der Passkontrolle stehe ich im relativ neuen Flughafengebäude und lausche dem Gezwitscher hunderter Spatzen, die wohl irgendwo unterm Flughafendach eine Heimat gefunden haben. Hier riecht es nicht nach Dettol, wie in Mumbai oder Kolkata, sondern irgendwie angenehm würzig-aromatisch. Und dann öffnet sich die große Glastüre und ich stehe im Freien – da ist sie, meine neue Heimat. Nach diesem Anflug verträumter Nostalgie stürze ich mich ins bunte, lärmende Chaos.

Am Nachmittag mache ich erste Besorgungen: Bata-Latschen und eine SIM Karte fürs Handy. Für diese Prepaid-Karte muss ich so viele Formulare ausfüllen - mit Passkopie und Foto – als ob es um einen Kreditvertrag ginge. Und bei uns geht man einfach zum Aldi und kauft die zusammen mit Äpfeln, Eiern und Milch… :D

Blick aus meinem Zimmer
Bangalore hat sich total verändert. Die Gegenden, wo ich am Stadtrand mal über unbebautes Grasland gewandert bin, sind mittlerweile zu einem lebendigen Stadtteil geworden, wo es vor lauter Leuten, Hunden, Autos und Kühen und allen möglichen Geschäften nur so wuselt Die meisten Orte, wo ich früher schon war, habe ich gar nicht mehr erkannt. Welcome to Boomtown Bangalore!

Saturday, 24 September 2011

Jetzt wird's ernst...

Überpünktlich erscheint der LKW der Spedition, die unser weniges Hab und Gut zum Hafen Hamburg bringen wird. Der Fahrer scheint etwas gestresst und unter Zeitdruck, als wir unser Zeug auf Paletten schlichten, was mein Vertrauen darin, dass die Ladung vollständig und unbeschädigt am 31. Oktober Bangalore erreichen wird, etwas dämpft. Aber was hilfts, jetzt gibts kein Zurück mehr.

Am Ende haben wir es mit einer Rekordzeit von 45 Minuten geschafft: Unser Hausstand aus 9 Jahren Deutschland ist kompakt aufgeschlichtet auf 3 Paletten - 6 cbm unseres Lebens steht nun vor uns, und in dem Moment wünsche ich mir eigentlich nur, dass das ganze Zeug (das meiste davon unser Musik-Equipment) ohne ernste Schäden pünktlich unser neues Zuhause erreicht.

Sunday, 4 September 2011

Der Countdown läuft...



Bangalore, Südindien
Am 4. Oktober werden wir uns im 9.859 km entfernten Bangalore niederlassen. Bangalore (seit 2006 offiziell "Bengaluru", Kannada: ಬೆಂಗಳೂರು) ist die Hauptstadt des indischen Bundesstaates Karnataka. Mit rund 5,4 Millionen Einwohnern (Hochrechnung 2010) ist sie die drittgrößte Stadt Indiens. Vorbei mit da Ruah, wie der Bayer zu sagen pflegt – nach 7 Jahren im gemütlich bayerischen Freilassing mit gerade mal 15.936 Einwohnern wird das wohl eine nicht gerade kleine Herausforderung.

Bangalore liegt im Dekkan-Tafelland, im südlichen Teil des indischen Subkontinents, auf etwa 900 m über Meereshöhe. Dadurch herrschen trotz der tropischen Lage auf etwa 13 Grad nördlicher Breite milde Temperaturen – im Winter geht die Temperatur nachts bis etwa 15 Grad Celsius zurück, im Sommer kann sie tagsüber bis 37 Grad Celsius ansteigen. Der Monsunregen dauert etwa von Juli bis September.

Alltag im Straßenverkehr
Der Verkehr in Bangalore ist wie überall in Indien ein Mikrokosmos für sich. Rickshaws (eine Art Moped mit 2 Rädern hinten, einer Sitzbank und einer Plane drüber) PKWs,  Busse, Lastwagen, Kuh- und Pferdekarren, Handwagen, viele, viele Motorräder, Fahrräder und Fußgänger erinnern an fliegende Schwalben, von denen man glaubt, sie würden jeden Moment miteinander kollidieren. Und mitten in einer Verkehrskreuzung hat eine zufrieden kauende Kuh es sich  gemütlich gemacht. Das Geheimnis des indischen Straßenverkehrs: Er fließt in anderen Bahnen und Rhythmen.  Vergleichst du jetzt mal den Rhythmus von einem bayerischen Landler und einem indischen Raga - dann weisst du von was ich rede. Man muss sich nur drauf einlassen und ein Gefühl dafür kriegen.      

Um zu vermeiden, morgens und abends Stunden im lärmenden und stinkenden Stau zu verbringen, wird eines der Hauptkriterien bei unserer Wohnungssuche wohl die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel werden. Aber damit befassen wir uns dann eingehender, wenn wir mal dort sind. Jetzt heißt es erstmal packen, organisieren und schaun, dass wir mal endlich den Container auf den Weg bringen.