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Monday, 16 July 2012

Einsichten in das indische Strassenuniversum


Seit ein paar Wochen wage ich mich mit unserem Roller nun auf Bangalore’s Strassen, allerdings ohne Führerschein, bzw. nur mit meinem deutschen Führerschein. Wie üblich dauert auch das wieder ewig und ist mit einer langen Wurscht von Formalitäten verbunden.
Es gibt einige wichtige Dinge, die ich schnell gelernt habe:

1. Benutze deine Hupe! Im Gegensatz zu unseren Landen werden Leute ärgerlich, wenn man nicht hupt. Das Hupen kommuniziert den anderen Verkehrsteilnehmern, dass ich anwesend bin und überholen möchte, und so weiß er auch, dass er nicht nach links oder rechts ausscheren oder gar bremsen oder andere unkalkulierbare Bewegungen machen sollte. Auf schweren LKW’s findet man sogar die Aufschrift „Horn OK please“. Was bei uns als Provokation gilt, dient hier also zur Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer.  

2. Zweite und mindestens genauso wichtige Erkenntnis: Keine abrupten Bewegungen, scharfes Bremsen oder am besten Bremsen komplett vermeiden und lieber Gas geben. Bremsen stört den Verkehrsfluss und verunsichert andere Verkehrsteilnehmer. Ich bin neulich über eine Kreuzung gefahren, als ein mir ein Fahrzeug entgegenkommt, das laut Verkehrsregeln Vorfahrt hat. Also bremse ich. Ich habe nicht damit gerechnet, dass der andere auch bremst, und zwar deshalb, weil ich gebremst habe und somit seinen schon im Voraus berechneten Weg zum Vorbeinavigieren völlig durcheinander gebracht habe. Mit dem Fahrzeug hinter mir wäre ich um ein Haar kollidiert. Und befindet sich mal wieder eine Kuh auf der Straße, wird deine Ausweichroute von den anderen schon miteinkalkuliert.

3. Wütend werden, fluchen, oder sonstige in Bayern übliche Fahrverhaltensweisen vermeiden. Das funktioniert hier nicht. bzw. stößt auf völliges Unverständnis und zieht verwunderte Blicke auf sich. Ich habe noch nie so viele geduldige Verkehrsteilnehmer gesehen wie hier. Es wird zwar ununterbrochen gehupt und wenn du mal das Grün bei der Ampel verpennst, darfst du dir ein Hupkonzert anhören, von dem sich unserereins normalerweise bedroht fühlt, dient aber eigentlich nur dazu, dich daran zu erinnern, dass du jetzt fahren darfst, falls du nicht in der Fahrschule warst, also quasi aus Hilfsbereitschaft. Richtig wütend wernden die Leute hier selten und einen Stinkefinger oder Beschimpfungen wirst du hier nicht erleben. 

4. Nicht alle Verkehrspolizisten sind korrupt.
Anfänglich hatte ich ja diesen Eindruck. Meine jüngste Erfahrung hat mich aber doch eines Besseren belehrt. Ich will schnell unser Mittagessen holen und parke den Roller, überquere die Strasse und als ich auf des Essen warte, bemerke ich, dass da, wo ich dachte, den Scooter geparkt zu haben, nichts ist als eine Rikshaw, in der der Fahrer auf der Rücksitzbank sitzt und Zeitung liest. Ich frage ihn, ob er irgendwas Außergewöhnliches beobachtet hat, aber er schüttelt den Kopf. Da kommt ein Mann auf mich zu und teilt mir mit, dass er beobachtet hat, wie mein Roller abgeschleppt wird. Nach einem kurzen Moment des Schocks kommt ein anderer Mann und deutet in eine Richtung, wo ein Abschleppwagen steht. Und ja, ich entdecke meinen Roller, und denke nur, oh mann, jetzt werde ich eine horrende Summe an Bestechungsgeld zahlen müssen, wenn ich meinen Scooter wiederhaben will. Aber man merke und staune, der Polizist war außerordentlich nett und klärt mich über die Existenz eines so genannten Halteverbotes auf. Ich verkneife mir den Kommentar, dass ich erstaunt darüber bin, dass es hier so etwas gibt, und frage ihn, ob ich Chancen habe, den Scooter an Ort und stelle wiederzubekommen. Er sagt, ich habe eine Strafe von 300 Rupien zu zahlen, dann wär das kein Problem. Ich bekomme sogar eine QUITTUNG und ein freundliches Lächeln mit der Bemerkung, gegenüber wäre der Scooter-Parkplatz gewesen. Ja, es herrscht Gesetz und Ordnung in diesem Land! Also: Positiv denken. Die Polizei, dein Freund und Helfer.

Wenn du diese Dinge beherzigt, wirst du richtig Spass im indischen Verkehrsuniversum haben und das neue Fahrgefühl stressfrei genießen können.

Grundsätzlich ist noch zu bemerken: Inder sind fantastische Fahrer. Im Kalkulieren, Navigieren und Reagieren absolut unschlagbar.

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